Presseveranstaltung: Delphi und das selbstfahrende Auto – ein Bericht

Delphi stellte nicht nur seine Pläne zum Automatisierten Fahren vor, sondern informierte über zahlreiche Kommunikations- und Bordnetztechnologien, die bei der Realisierung  des autom. Fahrens  und anderer Innovationen eine wichtige Rolle spielen – vieles davon „Made in Germany“ oder „Made im Bergischen Land“

1/2 Sekunde mehr Zeit – 60 % weniger Unfälle

Mike Thoeny, Managing Director Electronics Controls Europe, Delphi Electronics & Safety, eröffnete die Pressekonferenz des Unternehmens am 16. März 2015 im Kunden-Technologie-Zentrum in Wuppertal. Er stellte unter der Überschrift „Weg zu automatisiertem Fahren“ den Plan vor, ab dem 22. März 2015 mit einem entsprechend ausgestatteten Audi die Strecke San Francisco bis New York voll automatisiert zu fahren. Dadurch will das Unternehmen Daten im Umfang von etwa drei Terrabite sammeln, die in die Entwicklung und Verbesserung autonomer Fahrsysteme einfließen sollen. Ziel ist es, die Zahl der Unfallopfer weiter zu verringern. Denn bereits eine um 0,5 Sekunden frühzeitigere Warnung als derzeit kann die Unfallfolgen bei 60 Prozent aller Unfälle abmildern.

Heutige Fahrzeuge haben rund 50 Computer an Bord. Ziel ist es nicht, ihre Zahl zu vergrößern, sondern eher zu verringern, dafür aber mit leistungsfähigeren Geräten. Daher arbeitet Delphi seit 1999 am automatisierten Fahren. Dabei geht es nicht nur um hochwertige Fahrzeuge, sondern auch um solche der Mittelklasse und zukünftig auch der Unterklasse. Die heutigen Systeme können rund ums Fahrzeug schauen und etwa 200 Meter voraus. Zukünftige sollen von Fahrzeug zu Fahrzeug kommunizieren können und auch mit der Infrastruktur an den Verkehrswegen.

Derzeit sind fünf Stufen des automatisierten Fahrens definiert: Während in Stufe Null keine Automatisierung vorhanden ist und der Fahrer alles kontrolliert, findet man in Stufe Eins funktionsspezifische Automation einzelner Systeme wie beispielsweise ESP. Stufe Zwei beinhaltet die Kombination einzelner automatisierter Funktionen wie beispielsweise ACC und Spurhalteassistent. In Stufe Drei findet sich zeitweise automatisiertes Fahren durch Assistenzfunktionen in definierten Verkehrssituationen. Der Fahrer überwacht im Hintergrund die Systeme und kann jederzeit eingreifen. In Stufe Vier übernehmen Assistenzfunktion das vollständig automatisierte Fahren, wobei sie der Fahrer nicht mehr zu überwachen braucht.

Das von Delphi am kommenden Wochenende für den Langstreckentest eingesetzte Fahrzeug wird Stufe Zwei bis Drei nutzen.  Das bedeutet, dass die Systeme so ausgelegt sein müssen, dass sie bei einem auftretenden Fehler noch in der Lage sind, das Fahrzeug zu führen, bis der Fahrer eingreift.

Rainer Denkelmann, EU Advanced Body & Security Technical Manager Electronic Controls, Delphi Electronics & Safety, stellte klar, dass die Systeme teilweise redundant ausgelegt werden, je nach Anforderung des Fahrzeugherstellers. Es kommen so genannte Fail-Safe-Systeme zum Einsatz, die sich bei einem auftretenden Fehler selbst abschalten und ein Zweitsystem als Redundanz einsetzen, beispielweise beim Brems- oder dem Lenksystem.

Angriffe von Hackern werden dadurch abgewehrt, dass nur autorisierte Sendersignale von den Fahrzeugsystemen akzeptiert werden.

Delphi hat rund um das Silicon Valley eine Teststrecke im städtischen Verkehr definiert und dort hunderte von Kilometern vollautomatisch abgefahren. Straßenführung und Verkehrszeichen unterscheiden sich aber von denen in Europa und eben auch Deutschland. Daher soll dort ein Teilabschnitt der A 9 für das automatisierte Fahren von Testfahrzeugen freigegeben werden. Delphi bemüht sich um eine Strecke nahe Wuppertal, um dort das automatische Fahren unter europäischen Bedingungen testen zu können. Entsprechende Gespräche der zuständigen Abgeordneten mit dem Bundesverkehrsministerium sind geplant.

Mit Blick auf den fortschreitenden Elektronikanteil in Autos informierte Delphi über neue Technologien, die trotz einer Zunahme von elektronischen Systemen im Auto das Gewicht und das Volumen der Elektronik in Grenzen halten. Schließlich ist weiterhin die Gewichtseinsparung zur vorgeschriebenen CO2-Verringerung ein vordringliches Entwicklungsziel.

Zentralelektriken spielen dabei im Verborgenen eine wichtige Rolle. Bisher waren die Elektronikbauteile in Fahrzeugen an unterschiedlichsten Stellen verbaut. Das schränkt zum einen die Rechnerleistung ein, zum anderen erhöht dies das Gewicht und damit den CO2-Ausstoß. Für das erhöhte Gewicht sind in hohem Maße die erforderlichen Verbindungskabel verantwortlich, anderseits überholte Technik: Waren früher schwere Relais verbaut, so werden die jetzt durch Leiterplattenrelais ersetzt. Zukünftige Zentralelektriken müssen nicht mehr zugänglich sein und benötigen nur noch ein Drittel des Platzes als ihre Vorgänger. Sie werden zukünftig durch ihre Kompaktheit und ihr geringes Gewicht immer stärker an Bedeutung gewinnen. Wesentlicher Treiber dieser Entwicklung ist das gesetzlich vorgegebene Ziel, den CO2-Ausstoß ab 2021 auf maximal 95 Gramm pro Kilometer zu senken. Das entspricht einem Verbrauch von 4,1 Litern Benzin beziehungsweise 3,6 Litern Diesel pro 100 Kilometer gefahrener Strecke. Ab 2030 stehen jetzt schon nur noch 75 Gramm pro Kilometer im Raum.

Christian Klimm unterstrich, dass die Fahrzeughersteller sehr großes Interesse an dieser technischen Entwicklung haben, denn der Gesetzgeber hat empfindliche Strafen vorgesehen: Pro überschrittenem Gramm CO2-Ausstoß sind 95 Euro fällig. Einen wichtigen Fortschritt stellen neue Lösungen für die Architektur der Steuergeräte dar.  Der Multi-Domain-Controller von Delphi  ist in der Lage, die anfallenden enormen Datenmengen in Echtzeit zu verarbeiten. Er bündelt die verschiedenen elektronischen Untersysteme innerhalb des Fahrzeugs zu einer einzigen leistungsstarken Steuerungszentrale. Sie bietet eine skalierbare und offene Architektur und erlaubt Fahrzeugherstellern große Flexibilität. Die Domain-übergreifende Einbindung senkt die Kosten, das Gewicht und die Komplexität.

RACam ist die Abkürzung für das erste integrierte Radar- und Kameradatenfusionssystem der Welt. Es vereint die Erfahrung von Delphi auf dem Gebiet der Radartechnik mit der Hochleistungs-Bildverarbeitung. Es unterstützt aktive Sicherheitssysteme wie beispielsweise die Scheinwerfersteuerung, Fahrspurüberwachung, Verkehrs-Schildererkennung, Aufprallvermeidung auf Fahrzeuge, Fußgänger oder Tiere, adaptive Geschwindigkeitsregelung, Stauassistent sowie automatisiertes Fahren. Durch seine kompakte Bauweise ermöglicht das System Einsparungen bei den Bauteil- und Systemkosten.

Das Infotainment Interface ist ein vollständiges Autoradio inklusive Digitalradio, Fernsehempfang sowie DAB+ – Tuner für den parallelen  Empfang von Datendiensten für die Fahrzeugnavigation. Alles ist auf einer einzigen Platine untergebracht und spart dadurch im Vergleich zu früheren Autoradios enorm Gewicht und Bauraum. Für die Information und Steuerung werden zunehmend Bildschirme genutzt, die durch Sprache oder Gesten steuerbar sind.

Delphi verfügt über eine enorme Palette an Ladekabeln von Elektrofahrzeuge für weltweit alle Lade-Systeme und deren unterschiedlichen Anschlüsse und technischen Gegebenheiten. Zu berücksichtigen sind Gleich- oder Wechselstromquellen, Spannungsbandbreiten von 120 bis 240 Volt, unterschiedliche Netzfrequenzen von 50 oder 60 Hertz und voneinander abweichende Ladestecker. Delphi rüstet nicht nur Autos damit aus, sondern liefert  erfolgreich an die Hersteller von Ladestationen – auch ins Ausland.

Delphi ist sehr stark in der Entwicklung des 48-Volt –Bordnetzes engagiert, das statt des einmal früher geplanten 42-Volt-Bordnetzes zukünftig ein möglicher Standard werden könnte. Damit lassen sich Sicherheits- und Komfort-Systeme in das Fahrzeug integrieren, was mit einem reinen 12-Volt-Bordnetzt nicht möglich ist. Dies gilt beispielsweise für Starter-Generatoren, rein elektrische Lenkhilfen, Wankstabilisierung oder auch elektrische Klimatisierung. Damit wandelt sich die Integration von Hochlastverbrauchern von der mechanischen auf die elektrische Ebene. Dies spart Gewicht, Bauraum und vor allem CO2. Das Unternehmen bietet auch einen DC/DC-Wandler an, der die Verbindung zwischen einem 12-Volt und einem 48-Volt-Teilnetz herstellt. Mit der 48-Volt –Technologie ließe sich auch ein Mild-Hybrid-Antriebssystem realisieren, was eine Hochvolt-Technologie überflüssig macht.

Für die Hersteller von Elektroautos  entwickeln die Wuppertaler Delphi Ingenieure Hochvolttechnologie. Dazu gehören beispielsweise auch Batterieleitungen aus Aluminium-Legierungen, die bei großen und mittleren Querschnitten durch ihre Gewichtsersparnis gegenüber Kupferleitungen deutlich punkten. Durch die aufkommenden Betriebsspannungen von 150 bis 800 Volt steigen die Anforderungen an die Abschirmung: Stichworte sind die elektromagnetischen Interferenzen (EMI) sowie die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) gegenüber sie umgebende Systeme. Hierbei kommen entweder die individuelle Abschirmung oder die Bündelabschirmung zum Einsatz. Die orangefarbenen Kabel erfüllen natürlich alle Sicherheitsanforderungen, denn die Hochvolttechnologie wurde von dem Unternehmen in Wuppertal entwickelt.

Im Rahmen der Gewichtsverringerung hat sich Delphi besonders mit Ethernet beschäftigt und bietet dort technologisch herausragende Lösungen. Eine starke Miniaturisierung spart enorm Gewicht und Bauraum, beispielsweise durch Kabel mit einem Querschnitt von nur noch 0,13 mm2. Sie erlauben trotz ihrer Schlankheit einen Datenfluss von 100 Mbit/s. Die Ethernet-Technik ist ausgereift und bewährt und ihre Fertigung soweit standardisiert, dass die Kabel samt Anschlüssen in jedem Zulieferwerk automatisiert herstellbar sind.

Delphi verfügt an seinen Standorten in Deutschland  ausgedehnte Testlabors. Dort wird unter Produktionsbedingungen festgestellt, ob die zahlreichen Produkte auch wirtschaftlich herstellbar sind, bevor sie in Serie gehen.

An die Präsentationen schloss sich ein Fahrversuch an: Ein Personenwagen fuhr etliche Male direkt auf einen Fußgänger-Dummi zu und bremste dann automatisch direkt davor auf den Stillstand ab.

 

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